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Beginning

Chapter 1

Beginning

Anfang, der
Substantiv, maskulin
An|fang
im Anfang; von Anfang an; zu Anfang; Anfang Januar; Anfang nächsten Jahres


Unsicher zupfte Neficius an seinem T-Shirt herum. Normalerweise fühlte er sich mit dem schlichten weißen Stoff außerordentlich wohl, aber gerade, da fühlte es sich deplatziert an. Hätte er nicht doch besser ein Hemd anziehen sollen? Seine Haare ordentlich stylen sollen? Die übliche Katzenwäsche morgens vor der Arbeit war für so einen Tag wie heute doch nicht genug! Ob er noch genug Zeit hatte, heim zu fahren und sich um zu ziehen? Sein Blick driftete zu der Uhr in einer Ecke des Raumes. Nein, hatte er wohl nicht. Fünf Minuten reichten dafür nicht aus. Aber so konnte er sich doch nicht interviewen lassen! Jemand anderes würde das sicher viel besser machen, da war er sich sicher, was tat er überhaupt hier?

Eine behandschuhte Hand legte sich auf Neficius Schulter und der Weißhaarige zuckte zusammen, wirbelte mit einem leisen Fiepen herum. Der erschrockene Blick aus verschiedenfarbigen Augen begegnete einem beruhigenden aus eisblauen. Wie durch ein Wunder tat dieser seine Wirkung, brachte den rasenden Herzschlag des Jüngeren wieder auf eine normale Geschwindigkeit, ließ die nervöse Schweißproduktion ganz langsam zurück gehen. „Du hast mich erschreckt...“ nuschelte der Polizist leise, spürte eine vertraute Hitze in seinen Wangen. Das leichte Schmunzeln in Hades Stimme half nicht unbedingt, damit die roten Wangen wieder verschwanden. „Und du hast dir wieder eingeredet, dass jemand anders es besser machen würde. Du siehst toll aus, und du kannst das.“

Unsicher blinzelte Neficius zu seinem Ehemann hoch, legte seine Finger an dessen Uniform und zog sich ganz unauffällig zu ihm heran, schmiegte sich an den warmen, vertrauten Körper. Das sanfte Lächeln des Älteren bemerkte der Weißhaarige nicht, doch er spürte, wie sich die starken Arme um ihn schlangen und Sicherheit sowie Trost spendeten. Nur widerwillig löste sich der Kleinere schließlich, wohl wissend, dass er los musste. „Ich liebe dich.“ nuschelte er verlegen, die vertraute Wärme wieder in den Wangen. Die behandschuhte Hand schmiegte sich an die roten Wangen und der Ältere lehnte sich hinunter, legte seine Lippen zärtlich auf die des Jüngeren, gab ihm so Kraft und sprach Vertrauen aus. Schließlich zog er sich zurück, die weißen Spitzen seines tiefschwarzen Haares fielen ihm leicht vor die Augen. „Ich liebe dich auch. Und jetzt geh da raus und zeig, was du drauf hast.“

Neficius Lächeln blieb bestehen, auch, als er in den Hauptraum des Reviers trat und die Grünhaarige bei seinem Schreibtisch erblickte. „Miss Feenmond?“ begrüßte er die Reporterin, die unterschiedlichen Augen funkelten leicht mit Vergnügen, während er ihr die Hand entgegen hielt. Sie nickte leicht, ergriff seine Hand und drückte sie leicht. „Mister Infirmitus.“ erwiderte sie seine Begrüßung in gleicher Manier, ließ sich zeitgleich mit ihm auf den beiden Stühlen an dem Schreibtisch des Weißhaarigen nieder. „Sind Sie bereit?“ Noch immer lächelnd nickte der Infirmitus und richtete sein Shirt ein letztes Mal, fing auf das Nicken der Reporterin hin an, in die Kamera zu sprechen. „Ich bin Neficius Infirmitus, Kommissar in der 2. Abteilung für Gewaltdelikte des Dobok Polizeireviers. Dieses Jahr bin ich 35 Jahre alt geworden. Die meisten bekannten Fälle schwerer Gewalt, wie Mord, landen bei mir auf dem Schreibtisch.“

Die Reporterin blinzelte kurz überrascht. Neficius sah vielleicht aus wie 22, für älter hätte sie ihn nie gehalten, doch scheinbar war er das durchaus. „Wieso machen Sie freiwillig eine so gefährliche Arbeit? Haben Sie keine Angst, dass Ihnen etwas passiert?“ Das Lächeln wurde verlegen, seine Hand fand den Weg in seinen Nacken und kratzte ihn dort leicht, während sein Blick zu seinem Schreibtisch driftete. Das einzige Bild darauf zeigte ihn und Hades, gemeinsam mit zwei in die Kamera strahlenden Kindern. „Ich habe immer Angst, meine Familie nie wieder zu sehen. Allerdings... Wenn alle sich deswegen gegen diesen Beruf entscheiden, wer würde ihn dann noch machen? Ich will einfach helfen. Zu wissen, dass da draußen Leute sterben, nur weil ich mich selbst nicht in Gefahr bringen will... Das könnte ich nicht.“

Die nächste Frage kam schnell und war von Nervosität geprägt. Das war offensichtlich ein Fettnäpfchen gewesen. „Zu welchem Fall nehmen Sie uns denn mit?“ Das Lächeln des Polizisten verlor sich gänzlich ob der Frage, sein Blick wurde merklich düsterer, während er nach seiner Jacke griff. „Zu einem Serienmord.“



Regen prasselte auf das Dach des schlichten, schwarzen Wagens nieder, Kälte kroch durch die Ritzen der Karosserie. Neficius Blick war unverwandt auf die Straße vor ihnen gerichtet, wenngleich das Auto auch still stand. „Das ist der Fall, der vor sechs Monaten im nördlichen Seoul seinen Anfang nahm. An regnerischen Tagen packte der vermutliche Täter irgendeine Frau, die auf der Straße lief, und erstach sie. Ich observiere die Gegend, in der er wiederholt seine Verbrechen begangen hat.“ erläuterte der Weißhaarige ruhig, Maraikes Blick driftete zu ihm.

„Sie haben wirklich keine Angst?“ Ein humorloses Lachen entwich den Lippen des Weißhaarigen. „Natürlich habe ich Angst. Ich bin weder ein Gwydion Ellis, der alles bis ins genauste plant und die Täter hinter seinen Fällen besser versteht als diese sich selbst, noch bin ich ein Gray Fullbuster, der einfach kämpferisch stark genug ist, um es mit mehreren Dutzend gleichzeitig aufzunehmen. Ich verwette mein Leben auf diesen Kerl. Wie bereits gesagt – wenn ich es nicht tue, wer tut es dann?“

Die Grünhaarige sah wieder auf die Straße, zu der jungen Frau mit dem orangenen Regenschirm. Eine verhüllte Gestalt in einem Regenmantel löste sich hinter der Frau aus einer Gasse, silbriger Stahl blitzte in ihrer Hand auf. Die grünen Augen weiteten sich und sie lehnte sich vor. „Ist das ein Messer?“ hakte sie unsicher nach, schluckte nervös ob der Möglichkeit, dass sie gerade nicht weit von einem Serienkiller entfernt war. „Verdammt.“ fluchte Neficius leise und stieß die Autotür auf, knallte sie laut hinter sich zu und begann zu rennen. Der Kopf der verhüllten Gestalt ruckte herum, dann setzte sie vor. Die Frau hatte sich ob Neficius laut knallender Tür umgedreht, ihre Augen weiteten sich leicht ob der Bewegung, die sie in ihrem Augenwinkel wahr nahm.

Die hohen Schuhe fingen an, über den Boden zu klackern, der Rhythmus laut und schnell, fast so schnell wie ihr rasendes Herz, welches die Schritte hinter ihr zu übertönen versuchte. Eine Hand berührte ihre Schulter, ein erschrockener Aufschrei entwich ihren Lippen, doch statt eines Messers spürte sie einen kraftvollen Stoß. Ihre Seite kollidierte mit der Wand, durchnässte ihr helles Kleid. Der orangene Schirm schützte sie wie ein Wunder noch immer vor dem Regen, während schnelle Schritte an ihr vorbei trommelten, der Regenmantel versuchte, den Abstand zu Neficius zu vergrößern.

Schritte kamen neben ihr zum stehen, eine blinkende, große Fernsehkamera wurde behutsam neben ihr abgelegt. „Alles okay?“ hakte Maraike ruhig nach. Die erschrockene Frau sah auf, schluckte schwer, nickte aber. „J-Ja.“ wisperte sie, ihre Stimme zitterte. Ruhig drückte die Reporterin der Frau die Autoschlüssel in die Hand. „Sie haben gesehen, aus welchem Wagen Neficius-san kam, richtig? Setzen sie sich dort hinein, wir holen sie danach.“ Behutsam half sie der Frau auf, folgte den zittrigen Schritten noch einige Momente mit ihrem Blick, nur um die Kamera wieder zu ergreifen und Neficius zu folgen.

Ihre Schritte waren schnell, der Weg war dank eines GPS-Signals in Neficius Handy klar. Der Mann bewegte sich nicht mehr weiter, also hatte er den Verbrecher wohl geschnappt, da war sie sich sicher. Leicht keuchend kam sie vor der Gasse zum stehen, in der sich der Polizist befand. Ihr Blick glitt kurz unsicher über diese, fand sie ihn doch nicht, bis sie eine am Boden ruhende Gestalt im dämmrigen Schein einer Laterne ausmachen konnte.

Krachend traf die Kamera auf den Boden, die flachen Lederstiefel trommelten über die unsauber verlegten Steine, stoppten unmittelbar neben dem Kommissar. „Kommissar Infirmitus? Kommissar Infirmitus!“ Ihre Stimme gewann an Lautstärke, doch die verschiedenfarbigen Augen sahen nur leer zu ihr auf. Zittrige Finger schlossen die GPS-Anwendung auf ihrem Handy und wählten den Notruf. „Dobok Polizeirevier, was kann ich für Sie tun?“ „H-Hier ist Maraike Feenmond, die Reporterin bei Kommissar Neficius Infirmitus. Wir-Wir waren auf Streife wegen dem Serienmord im Norden Seouls. Kommissar Infirmitus ist- Er ist-“



Dunkle Wolken thronten am Himmel, entließen große, nasse Tropfen, sandten sie gen Erde. Nur die stetige Stimme des Pastors durchbrach die Stille, denn obwohl sich so viele Menschen dort befanden, ließ niemand ein Wort verlauten. Hades stand an vorderster Front, die eisblauen Augen blickten leer und verloren auf den Sarg vor ihm, seine behandschuhten Hände wurden von zwei kleinen Kindern beschlagnahmt, beide in den üblichen Polizeiuniformen, wenngleich doch der Junge in der männlichen und das Mädchen in der weiblichen Ausgabe. Alle Polizisten des Dobok-Reviers waren hinter der kleinen Familie versammelt, ebenso wie jene aus Neficius vorherigem Revier. Feuerrotes Haar glomm an zwei Stellen zwischen schwarz und braun auf, dunkles Lila mittig dazwischen.

"Sie dürfen sich nun verabschieden." endete der Priester seine Rede und nahm Abstand von dem Sarg, die Bibel in seinen übereinander gelegten Händen. Ganz langsam löste sich das Mädchen von Hades linker Hand, ihre kleinen Finger umklammerten eine weiße Lilie. Ihr verschüchterter Blick traf den ihres Bruders, und ebenso, wenn nicht sogar noch langsamer als sie löste er sich von der rechten Hand seines Vaters und ergriff die freie seiner Schwester. Mit wackligen Beinen tapsten die Kinder voran, verharrten direkt vor dem Sarg.

Kleine Hände zögerten vor dem dunklen Holz. Sie wollten keinen Abschied nehmen, waren noch nicht bereit dafür. Wenn sie es nicht taten, dann kam ihr Papa doch vielleicht wieder, oder? Ihr Papa durfte nicht tot sein, dafür war er viel zu lieb. Sicher schlief er doch nur, oder es war ein großer Scherz, weil sie sich in letzter Zeit so unmöglich verhalten hatten, ihre liebenden Väter weggestoßen hatten, nur weil es laut den anderen Kindern in der Schule uncool wäre und sie akzeptiert werden wollten.

Sie hatten ihre Lektion gelernt, sie hatten es begriffen, er durfte wieder aufwachen. Sicher würde er doch gleich den Sargdeckel öffnen und sie umarmen, oder? Es konnte, durfte nicht anders sein. Apollo sah zu Hades, sein Blick flehend, bittend. Warum konnte Dad nicht einfach sagen, dass dies alles nur ein Scherz war? Bitte, er sollte es einfach nur sagen, einfach nur lächeln. Aphrodite folgte dem Blick ihres Bruders, die deutliche Hoffnung in den Blicken der Kinder grub sich tief in Hades Herz, schlug ihre kleinen Finger hinein und drückte, bis es zerquetscht zu werden schien. Wie gerne würde er ihren Wunsch erfüllen, wie gerne würde er Neficius wieder in den Armen halten, die vertrauten Lippen auf seinen spüren.

Doch so sehr alle Drei sich das gleiche wünschten, es würde sich nicht erfüllen. Ganz langsam schloss Hades die Augen und schüttelte nur ganz seicht den Kopf. Helle Blumen verließen kleine Finger, trafen auf dunkles Holz, und kleine Füße trommelten über Gras. Sanft ging der Schwarzweißhaarige in die Knie, fing die kleinen Körper auf, hörte das leise Schluchzen und spürte die deutliche Nässe. "Ihr müsst mir etwas versprechen." wisperte der Kriminaldirektor rau. "Wählt niemals den Polizeidienst als Beruf. Niemals."

Eine verbale Antwort erhielt er nicht, zog die Kleinen enger an sich, versuchte sie so gut er konnte zu trösten und wünschte sich Neficius zurück. Oh, wie einfach diesem das gefallen wäre, er hatte schon immer ein Händchen dafür gehabt, die Kleinen zu beruhigen, ganz anders als Hades.



Endgültige Stille war auf dem Friedhof eingekehrt, der Kies der ordentlichen Wege knirschte leise unter ihren Schuhen, während sie neben ihm zu stehen kam. „Sie wollten mich sprechen, Kriminaldirektor?“ hakte sie sanft nach. Es war ungewohnt, den sonst so sanften, gleichsam aber auch konsequenten Mann so gebrochen zu sehen. Neficius war alles für ihn gewesen und jeder, der ihn etwas kannte, wusste, dass nur der Gedanke an seine Kinder ihn aufrecht hielt.

Doch als sich der Ältere zu ihr umdrehte, sah sie nicht wie erwartet einen gebrochenen Mann. Entschlossenheit brannte in den eisblauen Iriden, angefacht durch Rachsucht. „Ich werde Gray in den Dienst zurück holen, damit er dieses Arschloch findet, das meinen Mann getötet hat. Du wirst Gray unterstützten, Hideko.“

Sie blinzelte überrascht. „Warum ich?“ hakte sie schließlich nach, ihre lilanen Iriden von Verwirrung geprägt. „Weil du für dein Alter bemerkenswerte Ergebnisse erzielt hast. Gray ist schwierig, und Gwydion kann ich von seinem aktuellen Fall nicht abziehen. Ich vertraue dir, dass du mit einem so schwierigen Charakter wie Gray umgehen kannst.“

„Wieso wurde er suspendiert?“ fragte sie leise nach. Der Name sagte ihr etwas, aber mehr auch nicht. Doch was er ihr sagte, war nichts gutes. Ein Hang zu übermäßiger Gewalt, doch man hatte ihm alles durchgehen lassen, war er doch mehr als fähig gewesen, hatte ein stetes Kopf an Kopf Rennen mit Gwydion Ellis geführt, jenem reviereigenen Genie. „Er hat das halbe Revier ins Krankenhaus geschickt, nachdem er raus fand, wer sich bestechen ließ.“ fasste der Kriminaldirektor ruhig zusammen. „Ich konnte nicht viel gegen seine Suspendierung tun, und das wollte er auch nicht. Gray ist nicht dumm, er weiß, wo er stoppen muss, welche Linie er nicht überschreiten darf.“

Unruhig spielte Hideko mit einem Knopf an ihrem Ärmel. „Und sie denken wirklich, dass ich dafür geeignet bin?“ Ein seichtes Nicken seitens des Älteren. „Allerdings. Observieren sie ihn vorerst. Ich werde diese Woche noch mit ihm darüber sprechen.“



Knarrend öffnete sich die Tür zu dem kleinen Apartment, klappernde Schlüssel fanden ihren Platz auf dem winzigen freien Fleck der von Briefen und Rechnungen überfüllten Kommode. Kopfschüttelnd stellte er die Einkaufstaschen auf dem Boden ab, glitt aus seinem Mantel und hängte diesen an einen der zahlreichen freien Haken an der Garderobe, wurde seine Schuhe gleichsam los. Sein Blick driftete über das ungepflegte Apartment, registrierte die leeren Alkoholflaschen auf dem von der Eingangstür einsehbaren Couchtisch, die ganzen sich in allen Ecken stapelnden Fast-Food-Packungen, die umher liegende Kleidung, ehemalig weiße und nun eher gelbliche T-Shirts. Kurz schloss er die Augen, nur um sie mit neuer Entschlossenheit wieder zu öffnen. „Gray Fullbuster!“ rief er laut aus und ergriff die Einkaufstaschen wieder. „Wach sofort auf! Gray!“

Seine Schritte führten ihn in die Küche, die Taschen wanderten für einen kurzen Moment auf den Boden. Seine zielsicheren Händen, verratend, dass er bei weitem nicht zum ersten Mal in diesem Haus war, wanderten zu einer Schublade und holten einen großen Müllsack heraus. Kurz schüttelte er den Sack aus, nur um die Packungen auf der Anrichte mit einer Bewegung in diesen hinein zu schieben. Mehrfach wiederholte er das, bis der Arbeitsplatz schließlich frei gelegt war, hatte zudem den Küchentisch ebenfalls frei geräumt. Die ganze Zeit war er nicht verstummt, hatte sich mehr als nur ein wenig darüber aufgeregt, wie der Andere aktuell sein Leben führte.

„Gray! Ich hab die letzten zwei Jahre tatenlos zugesehen, während du dich in Alkohol ertränkt hast, aber das reicht jetzt! Du ignorierst Hades Anrufe, du ignorierst meine und auch Amarylls.“ Er hatte die Hände sinken lassen, lehnte mit dem Rücken an der Anrichte und hatte die Augen geschlossen. „Ich kann das nicht mehr. Wir waren beste Freunde seit wir gemeinsam auf der Polizeischule waren und das ist jetzt mehr als zehn Jahre her. Mit ansehen, wie du dich jeden Tag ein Stück mehr verlierst... Ich kann das einfach nicht mehr. Ayakas Tod hat dich schwer getroffen, aber ich dachte... Ich dachte wir wären auch Familie für dich. Ich dachte, wir könnten dir helfen... Dich wieder auf die Beine bringen.“

Er spürte etwas nasses an seinen Wangen, aber für diesen Moment war es ihm schlichtweg egal. Gray würde ihn so sowieso nicht sehen, vermutlich hatte der Andere ihn nicht mal gehört, und selbst wenn, er selbst war es gewesen, der den Anderen damals gehalten hatte, der ihn getröstet hatte, als der sonst so sonst so tränenlose Mann sich nach Ayakas Tod die Augen rot geweint hatte. „Du hast Rache geschworen, du hast ihren Mörder hinter Gitter gebracht, also bitte... Komm zurück. Ich vermisse dich, Hades vermisst dich, Amaryll vermisst dich. Verdammt, sie hat sogar fast deinen Spitznamen übernommen, so viele hat sie verprügelt, weil sie schlecht über dich geredet haben. Es ist anders ohne dich, anders auf eine schmerzhafte Art.“

Wie aus dem Nichts war ein kühler Körper neben ihm, ein starker Arm schlang sich um seine Taille und zog ihn sanft an sich. Nahezu beunruhigend kalte Finger strichen über seinen Rücken, doch Grays Körper war schon immer so kalt gewesen. Ein Gendefekt, seit Generationen in seiner Familie vererbt. Minuten vergingen, in denen er sein Gesicht in dem Stoff über der Brust des Schwarzhaarigen vergrub, Minuten in Stille, nur durchbrochen von trockenen Schluchzern und leisem Atem. Ruhig wartete Gray ab, bis sich der etwas Jüngere wieder beruhigt hatte.

„Ich versuch's.“ versprach er leise, löste sich aber nicht von dem Jüngeren. „Und du bist für mich Familie, Gwydion, ihr seid für mich Familie. Ich kann nur keinem von euch in die Augen sehen, ohne mich zu schämen.“ Sanft brachte er seine Lippen an das Ohr des Kleineren, murmelte leise Worte hinein, und ganz langsam begriff der Rotschopf. Behutsam erwiderte er die Umarmung. „Du musst dich nicht schämen.“ erwiderte er sanft, blinzelte leicht überrascht, als der Größere sich löste.

Zum ersten Mal seit mehreren Monaten konnte der Rotschopf einen Blick auf den Anderen erhaschen. Die helle Haut verriet, wie selten der Andere das Haus verließ, dunkle Augenringe sprachen von durchwachten Nächten und doch zeichneten sich noch Muskeln an dem Körper des gebrochenen Mannes vor ihm ab. Gwydion wusste nur zu gut warum, hatte Gray doch schon immer seine Ruhe im Training gefunden und in diesen Momenten einfach alles vergessen, das Denken aufgeben können.

Der Schwarzhaarige griff nach den Einkaufstaschen, stellte sie auf der Anrichte ab. „Na komm.“ murmelte er. „So wie ich dich kenne, hast du heute noch nichts gegessen.“ Ein humorloses Lachen entwich dem Rotschopf, doch er fing dennoch an, die Taschen auszupacken. „Sagt der Richtige.“ Schmunzelnd stieß Gray ihn leicht mit der Schulter an. „Ich bin aber gerade erst aufgestanden. Du bist seit mindestens sieben Stunden wach.“ Die grüngrauen Augen funkelten leicht amüsiert, und doch lag Schmerz dahinter, Schmerz, von dem Gray wusste, dass er nicht der Grund dafür war. „Was hab ich noch verpasst, hm?“ hakte er nach, sein Tonfall wesentlich ernster und in den seit zwei Jahren so tot wirkenden Augen zeigte sich ein Anflug von Sorge. „Etwas, dass dir Hades sagen wird, wenn du ihn heute triffst.“

„Enyas Laden?“ hakte der Ältere ruhig nach und der Kleinere schmunzelte amüsiert. „Natürlich, manche Dinge ändern sich nun mal nie. Wenn Hades sich nicht mehr mit seinen Leuten bei Enya trifft, ist entweder der Laden abgebrannt oder Hades ist nicht mehr.“ Ein schwaches Lächeln schlich sich auf die Lippen des Größeren. „Stimmt wohl.“ murmelte er, fing langsam an zu kochen. „Und so sehr ich deinen Gedanken auch schätze, du bist nicht der talentierteste Koch, Gwen.“ Schmollend verschränkte der Rotschopf die Arme, seine grüngrauen Augen bohrten sich beleidigt in Grays Rücken. „Du schätzt meinen Gedanken am Arsch. Wenn du das tun würdest, würdest du wesentlich netter sein.“

„Ach je, Gwen, wo hast du denn solche Ausdrücke gelernt?“ gab Gray gespielt schockiert von sich, spielte auf die Anfangszeit in der Polizeischule an, als Gwydions schlimmstes Wort noch „Idiot“ gewesen war. „Von dir, du Mistkerl. Spiel jetzt ja nicht den Unschuldigen!“



Leeres Grau begegnete feurigem, entschlossenem Eisblau, der Blickkontakt brach keine Sekunde, auch nicht, als Hades die Flasche Soju ergriff und beide Gläser, nicht größer als Schnapsgläser, füllte, ohne einen Tropfen zu verschütten. „Du siehst schrecklich aus, Gray. Isst du überhaupt genug?“ hakte Hades schließlich nach und löste den Blickkontakt, ergriff sein Glas und hob es leicht an. Gray begriff die Geste, ergriff sein eigenes Glas und für einen winzigen Moment kam es zu einem klingenden Kontakt. „Spar dir deine Sorgen für deinen Mann auf, Hades.“ konterte der Schwarzhaarige ruhig und kippte das Glas hinunter.

Der Kriminaldirektor folgte seinem Beispiel, nur um danach wieder das Wort zu ergreifen. „Das geht nicht mehr. Neficius ist tot.“ Seine Stimme klang neutral, doch Gray hörte den Hass dahinter, die kalte Wut, den Wunsch nach Rache, doch er zeigte es nicht. Er hatte den Ausdruck in Hades Augen erkannt, begriff nun auch, was Gwydion bedrückt hatte. „Im Dienst ermordet?“ „Im Dienst ermordet.“

Ein humorloses Lächeln schlich sich auf die Lippen des Schwarzhaarigen ob der Bestätigung. „Verstehe... Deswegen darf ich also nicht mehr vor mir dahin siechen. Du willst, dass ich den Mistkerl finde, huh?“ Klares Eisblau blitzte hinter weißen Haarspitzen hervor. „Finde ihn, und ich werde dir helfen, die Wut in dir los zu werden. Ich weiß, was damals passiert ist, Gray.“ Trocken schnaubte der suspendierte Polizist, seine Augen blitzten förmlich. „Natürlich weißt du das. Du weißt alles.“

Entschuldigend lächelte Neficius Gray an, als er keuchend den Laden erreichte. „Tut mir leid, ich war ein bisschen weiter weg.“ entschuldigte sich der Weißhaarige, doch der sogenannte tollwütige Hund winkte nur ab. „Passt schon.“ konterte er trocken, half dem Kleineren dabei, Hades vorsichtig auf dessen Rücken zu hieven. „Ich sollte mich eher entschuldigen, dass ich ihn nicht vom Trinken abgehalten habe.“ Schmunzelnd schüttelte der Infirmitus den Kopf. „Ach was, das hat noch keiner geschafft. Gute Nacht, Gray.“

Ruhig erhob der Schwarzhaarige sich und legte ein paar Won-Scheine für sein Mahl auf den Tisch, nickte Enya kurz zu. Der schlanke Mann mit dem langen, lilanen Haar, welches er anders als beim letzten Besuch nicht mehr als hohen Pferdeschwanz, sondern nun im Nacken zusammen fasste, verließ seinen Platz hinter der Theke und trat zu dem Tisch, nahm das Geld sanft lächelnd entgegen. „Es ist schön zu sehen, dass du noch lebst.“ meinte er sanft und der Suspendierte brummte zustimmend. Gray ließ seine Stimme etwas lauter erklingen als gewöhnlich, sprach langsam, aus Rücksicht auf das Gehör des Anderen. Sogar die besten Hörgeräte konnten Enyas Gehör nicht vollständig wieder herstellen, und so hatte er es nicht einfach, musste sich stets sehr auf die Geräusche konzentrieren. „Pass auf, dass er nicht zu viel trinkt.“

Der Besitzer des kleinen Restaurants nickte leicht. Er wusste um den Tod des Ehemanns des Kriminaldirektors, jeder wusste darum, war es doch groß in den Nachrichten gewesen, zusammen mit den Aufnahmen von jenem Tag. Sofort hatte der Lilahaarige den freundlichen, scheinbar nie alternden Mann erkannt, der seinen Ehemann so viele Male abgeholt hatte, und so hatte er einfach geschwiegen, wenn Hades einfach nur zum trinken kam, ihn oft sogar hoch in die eigene Wohnung über dem Restaurant gebracht, damit er den Rausch ausschlafen konnte. „Pass du auch auf dich auf, Gray. Und komm öfter wieder, es war immer wesentlich ruhiger, wenn du hier warst.“ Die Gegend war nicht die ruhigste, und so hatte der zierliche Mann oft genug eher unerfreuliche Besucher. Zwar war er ein hervorragender Kämpfer, aber wenn Gray da gewesen war, hatten die meisten das Gebäude nichtmal betreten und sich wenn doch keinen Mucks gemacht.

Der Schwarzhaarige nickte ihm leicht zu und sah noch einmal zu Hades. „Gib mir etwas Zeit, darüber nach zu denken.“ meinte er ruhig, ergriff den schwarzen Stoffmantel von seinem Stuhl und zog ihn sich über, während er das Restaurant verließ. Er wusste um die junge Frau mit den dunklen, lilanen Haaren auf der anderen Straßenseite, hatte ihren Blick schon lange im Rücken gespürt und wusste auch, wer sie war, kannte er doch Hades Methoden nur zu gut. Zudem verriet der von Hemden und schwarzen Hosen geprägte Kleidungsstil sie genauso sehr wie die leichte Beule in ihrem Mantel, genau dort, wo das Pistolenholster saß.

Seine Schritte führten ihn weg von Enyas Restaurant, die Straße hinunter. Laute Stimmen begrüßten ihn von rechts, ein lautes Klatschen brach förmlich durch sein Gehör und sein Kopf ruckte herum, die grauen Augen fixierten sich auf die Szene nicht weit von ihm. Eine junge Frau saß zwischen drei Männern auf dem Boden, die rechte Wange gerötet und der Mann direkt vor ihr hatte die Hand noch gehoben. Nun bohrte sich ein Blick in seinen Rücken und er konnte ahnen, worüber seine Verfolgerin nachdachte. Sollte sie sich zeigen, sollte sie es nicht tun? Konnte sie es riskieren? Und was würde er tun, würde er einfach tatenlos zusehen?

Ein schweres Seufzen ausstoßend wandte Gray den Blick ab, setzte seinen Weg fort und schritt an der Szene vorbei, nur um wenige Schritte an dem Hauszugang vorbei nach einem langen Stück Holz zu greifen. Kurz wog er es leicht mit der Hand ab, ließ den Nacken knacken und wandte sich wieder den Männern zu. Das Holz schleifte leicht über den Boden, als er sich wieder in Bewegung setzte, verriet als einziges, dass er kam. Langsam hob er seine provisorische Waffe, kam zum stehen, holte aus – und das Holz brach in der Mitte durch, zerschmetterte an dem Rücken des Mannes vor ihm. Der Schläger stolperte leicht nach vorne, drehte sich in der Bewegung herum.

„Was mischst du dich ein, du Arschloch?!“ fuhr er auf, seine Freunde zögerten nicht und stürzten auf den suspendierten Polizisten zu. Der erste bekam die Überbleibsel des Holzstücks gegen die Schulter, erneut splitterte die provisorische Waffe und wohl wissend, dass diese ihm nicht mehr viel bringen würde, warf Gray das Holz weg. Ein schneller Tritt in Richtung des Ersten sandte diesen mehrere Meter weg, nur Millisekunden später blockte er einen schlampigen Schlag mit seinem Unterarm. Seine freie Hand schnellte vor, zog den Zweiten heran und in einer schnellen Bewegung rammte er diesem sein Knie in die Magengrube, wiederholte das vier, fünf, sechs Mal, nur um den Angreifer dann von sich zu stoßen. Ein Faustschlag seitens des ursprünglichen Schlägers traf fast seine Wange, sauste durch eine leichte Bewegung zur Seite an ihm vorbei. In einer fließenden Bewegung packte er den Mann im Nacken, nur um ihn gegen den Wagen direkt neben ihnen zu schleudern. Mit zwei, drei schnellen Schritten setzte er nach, ergriff den Mann wieder im Nacken und donnerte dessen Kopf fest gegen die schwarze Scheibe des Wagens, bekam gar nicht mit, wie die junge Frau mit dem Handabdruck auf der Wange auf die Füße gekommen und geflüchtet war, wiederholte die kraftvolle Bewegung erneut.

Im nächsten Moment zerrten schlanke Hände an seinem Arm. „Hör auf, Sunbaenim! Du bringst ihn sonst noch um! Sunbaenim!“ Hidekos Stimme klang panisch, ihre Augen sahen ihn bittend an. Nur langsam ließ der Schwarzhaarige von dem geschlagenen Mann ab, trat einige Schritte zurück. Dessen Freunde nutzten die Gelegenheit und huschten an dem Beamten vorbei, zogen ihren verletzten Kumpanen auf die Beine. „Komm mit.“ befahl Gray mehr als das er sie bat. „Lass uns ein paar tollwütige Hunde zusammen trommeln.“

Unsicher sah die Lilahaarige zu den Männern zurück, folgte dem Befehl dann aber. Unwohl zupfte sie an ihrer schwarzen Hose, zog den dunklen Mantel enger um sich, versuchte sich vor den interessierten, brennenden Blicken zu schützen. „Die könnte man für noch mehr verkaufen als die Bitch gerade.“ Der Kommentar brachte sie zum Schaudern und sie beeilte sich, zu Gray aufzuschließen, schob sich halb vor diesen, um den Blicken zu entkommen. Kurz musterten die grauen Augen sie, dann legte er eine Hand an ihre Schulter und zog sie ganz vor sich. „Danke.“ murmelte sie leise, entspannte sich nur langsam, die hoch gezogenen Schultern sackten herab.



Als Gray davon gesprochen hatte, tollwütige Hunde zusammen zu trommeln, hatte Hideko definitiv nicht erwartet, an einem Ramyeonstand mit einer Flasche Soju zu enden, und doch hätte sie es vermutlich irgendwie wissen sollen. Der Ruf des Anderen beruhte sicherlich nicht auf nichts, das hatte er nicht mal eine Stunde zuvor mit dem kleinen Kampf bewiesen. Sowohl die Gerüchte über seinen Hang zu übermäßiger Gewaltanwendung als auch die um sein kämpferisches Können hatte er damit effektiv bestätigt. „Die Polizei wird uns nicht viel unterstützen können.“ stellte Gray trocken fest und nippte an seinem Glas. „Mal ganz davon abgesehen, dass wir hier immer noch von einem wohl recht geheimen Projekt sprechen, weiß ich sowieso bessere Jagdhunde.“

Irritiert sah die Lilahaarige auf. „Bessere Jagdhunde?“ hakte sie leise nach, wartete auf eine Antwort, während Gray mit einer simplen Handbewegung eine weitere Flasche Soju orderte. „Drei an der Zahl. Alisha Crossfield, Ryuichi Fudo, Akaya Kurokawa.“ Ihre Augen weiteten sich leicht und die Kommissarin erschauderte. Sie kannte diese Namen, gehörten sie doch zu der langen Liste an Verbrechern, die Gray ins Gefängnis befördert hatte. Im Revier konnte man so eine Liste zu jedem Beamten finden, wenngleich dort nie Details und nur Namen zu finden waren. Nachdem Gray zwei Jahre außer Dienst war, war die Länge von Gwydions außer Konkurrenz. „Aber das sind doch...“ setzte sie leicht unsicher an.

„Verbrecher, ja. Aber gerade das macht sie so perfekt dafür. Mit der richtigen Motivation – wie beispielsweise eine verkürzte Haftstrafe – werden sie brav wie Lämmlein sein.“ Der Vergleich war weder angebracht, noch passend, und doch wunderte es die Kommissarin keineswegs, dass er von dem Fullbuster kam. „Warum genau diese Drei?“ fragte sie weiter und ein leichtes, nahezu sadistisch anmutendes Grinsen schlich sich auf Grays Lippen. „Du hast keinen blassen Schimmer, wer sie sind, hm?“ Sie zögerte erneut, nickte dann aber, ahnend, dass der Schwarzhaarige dann seine Wahl erläutern würde.

„Alisha Crossfield, Auftragsmörder. Talentiert wie nur wenige dieses Feldes. Sie ist fähig einem mit bloßen Händen alle Knochen zu brechen. Wir wissen weder wo, wann noch wen sie getötet hat.“ Verwirrt blinzelte die Jüngere ob der Fakten. „Aber... wieso...“ Gray wusste, was sie fragen würde, ließ sie den Satz nicht beenden. „Sie hat sich gestellt. Ist mit blutverschmierter Kleidung und der Tatwaffe aufs Revier gekommen und hat sich gestellt. Egal wer gefragt hat warum, sie hat nie geantwortet.“ Unruhig rutschte Hideko auf ihrem Hocker hin und her. Wenn sie erst der Anfang war, wie schlimm waren dann die anderen Beiden?

Gray nippte an der Soju-Flasche, hielt sich nicht mehr mit einem Glas auf, seit die Kommissarin sichtlich nicht mit trank. „Was schätzt du, wie lange hat die Agma Yong Pa vor zwei Jahren gebraucht um ganze Seoul zu übernehmen?“ Seine grauen Augen wanderten nicht einmal zu ihr, und doch ließ er ihr keine Chance zu antworten. „25 Tage. Sie haben jeden Tag ein Distrikt übernommen. Der Mann hinter dem ganzen war Ryuichi Fudo, einer der beiden Leader. Als sie noch eine kleinere Gang waren, hat man ihn und den anderen Leader als das Redcap-Duo bezeichnet. Er wurde zu 28 Jahren Haft verurteilt, sechs Jahre mehr als Alisha.“ Grays Blick wanderte zu der Kommissarin neben ihm, beobachtete ihre Reaktion, bemerkte ihre Neugierde. Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen. „Akaya ist allerdings ein ganz anderes Kaliber. Er wurde zum Tod verurteilt.“ Abrupt weiteten sich die lilanen Augen. „Was?“

„Hör zu, dann frag.“ befahl der Schwarzhaarige ruhig, die Soju-Flasche leerte sich erneut ein Stück. „Er ist ein Genie. Einige der schwierigsten Rätsel unserer Zeit, an denen andere Jahre sitzen, löst er innerhalb weniger Stunden. Jemand wie er könnte in jedem Berufsfeld erfolgreich sein und für einige Jahre repräsentierte er Südkorea in verschiedensten weltweiten Veranstaltungen. Mit 12 Jahren diagnostizierte man bei ihm einen IQ von 168. Auf der Psychopathie-Checkliste hat er, mit einer möglichen Höchstpunktzahl von 40, 38 Punkte. Er ist der Täter hinter den Hwayeon Dong Serienmorden vor zwei Jahren.“

Davon hatte Hideko allerdings gehört. Der Fall war nahezu legendär, und Grays letzter richtiger gewesen, bevor er suspendiert worden war. Bei diesen Serienmorden hatte es nur die Leiche des Opfers gegeben. Fingerabdrücke, Fußspuren, verlorene Haarsträhnen, nichts davon hatte es je gegeben, bis auf das letzte geplante Opfer der Mordserie. Dieses hatte überlebt und man hatte Blut vom Täter am Tatort gefunden. Man vermutete, dass dieser unterbrochen worden war, wer der mysteriöse Retter allerdings war, das war bis heute unbekannt. „Warum solche Leute?“ fragte sie schließlich rau nach. Gray sah sie wieder nicht an, leerte die Soju-Flasche endgültig. „Ryuichi hat Kraft und Beziehungen, Alisha hat Erfahrung und Können, Akaya hat Intelligenz und ist ein hervorragender Stratege.“ listete der ehemals suspendierte Polizist auf. „Mit diesen Drei gibt es keinen Verbrecher unter der Sonne, den wir nicht fangen können. Wenn sie nichts finden, dann gibt es nichts zu finden.“